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In der letzten Zeit hören und lesen wir in den Medien vermehrt über das Thema „Cannabis in der Medizin". Leider aber noch nicht genug, denn hört man sich in der Gesellschaft mal ein wenig um gibt es viele Missverständnisse. Einige Personen, darunter auch Ärzte, glauben z. B., dass Cannabis keine medizinischen Eigenschaften besitzt. Andere wissen nicht, dass es in Deutschland schon seit einigen Jahren wieder verschreibungspflichtige Cannabis-Präparate gibt. Wiederum andere glauben, dass Cannabis-Patienten nur auf Kosten des Staates kiffen wollen. Es quälen sich Tausende Menschen (und auch Tiere) jeden Tag vor Schmerzen, Übelkeit, Depressionen u. v. m., ohne zu wissen, dass es eine Pflanze gibt, die ihnen vielleicht helfen könnte. Der Schmerz treibt laut der Schmerz-Suizid-Statistik mehr als 5000 Menschen jährlich in den Selbstmord. Wir haben uns mit Uwe Ciecor aus Langebrück (Sachsen) getroffen. Uwe ist chronischer Schmerzpatient und leidet seit über 15 Jahren an unerträglichen Schmerzen. Auch er musste jahrelang wahnsinnige Schmerzen ertragen, nur weil man ihm nicht glaubte, dass Cannabis ihm besser hilft als Opiate. Unglaublich aber wahr, lest selbst.
grow! Hallo Uwe, danke dass du dir etwas Zeit für uns genommen hast. Wie geht es dir denn heute?
Uwe: Danke, es geht im Moment. Ich habe schon schlimmere Tage gehabt.
grow! Kannst du uns und unseren Lesern erklären, wie es zu deinem Leiden kam?
Uwe: Ich hatte 1997 einen schweren Unfall, bei dem ich unter anderem einen Plexus-Nervenwurzelausriss erlitt und dadurch zum Schmerzpatienten wurde. Plexusaus-riss bedeutet bei mir eine schlaffe Lähmung des gesamten linken Armes einschließlich der Hand. Mich plagen unter anderem starke neuropathische Schmerzen. Früher wurde meine Erkrankung auch mit Phantomschmerzen erklärt.
grow! Wie alt warst du damals? Uwe: 34 Jahre.
grow! Welche Medikamente oder Thera-pien hast du schon ausprobiert und mit welchem Erfolg?
Uwe: Über die Jahre wurde ich mit allen zur Verfügung stehenden Medikamenten und Therapien behandelt. Es wurden Medikamente wie z. B. Durogesic (Fentanyl), l-Polamidon, Trileptal, Tavor, Opiate, Morphine, Ketanest, Cassadan, Phenetoin, Neurontin, Timox, Lyrica, Nexium, Remergil, Dormicum eingesetzt. Ich hatte Nerventransplantationen, einen Versuch mit SCS (Spinal Cord Stimulation), einen Versuch über Drezlä-sion in mehreren Wirbelkörpern, schulmedizinische Behandlungen und Therapien im In- und Ausland, die aber leider alle nicht den gewünschten Erfolg brachten.
grow! Und es gab nichts, was deine Schmerzen lindern konnte?
Uwe: Naja, einige Medikamente und Therapien brachten nur vorübergehende Linderung, ließen mich aber dafür unter den Nebenwirkungen leiden. Alles in allem brachten diese Versuche aber keine zufriedenstellende Lösung. Niemand konnte mir so richtig helfen. Oft wurde mir beim Verabschieden mit gesenktem Blick die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt, kümmere dich um Linderung. Wir können nichts tun.
grow! Das ist ja Horror. Wie oder wann hast du dann von der medizinischen Wir-kung von Cannabis erfahren und wie hilft es dir?
Uwe: Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Linderung durch Cannabisprodukte kam direkt von einem erfahrenen Schmerzthe-rapeuten, wenn auch nicht „offiziell". An-schließend schenkten Freunde mir ein Buch zum Thema und berichteten mir von anderen Schmerzpatienten, die sich mit Cannabis Linderung verschafften. Meine Phantomschmerzen, die vielen anderen Problematiken und die starken Nebenwirkungen meiner damaligen Medikamente veranlassten mich dazu, mich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich sprach auch mit all meinen Ärzten und Therapeuten von Beginn an offen über meine Erfahrungen mit Cannabis, die ich mittlerweile gemacht hatte. Ich berichtete ihnen von der Möglichkeit einer Therapie mit Can-nabis und oder mit dem ab 1998 verwen-dungsfähigen THC-Wirkstoff Dronabinol. Aber nichts passierte in dieser Richtung.
grow! Sie haben dir kein Dronabinol verschrieben?
Uwe: Nein, stattdessen bekam ich einen Cannabis-Abusus vorgeworfen, ich wäre nur auf Cannabis fixiert, Abhängigkeit usw. Obwohl die behandelnden Arzte wussten, dass der medizinische Einsatz von Cannabis/Dronabinol bei Schmerzpatienten angezeigt ist und es durchaus helfen könnte. Da ich aber schon zugegeben hatte, dass ich Cannabis, wenn verfügbar, einsetze und die Arzte wohl zu wenig Erfahrung diesbezüglich hatten, verweigerten sie erst einmal eine Cannabis/Dronabinol- Therapie. Das heißt, solange die Kostenübernahme nicht geklärt war und andere „Verwehrungs- Gründe" vorlagen, bekam ich kein Dronabinol. Zehn Jahre wurde mir eine mögliche Therapie verweigert. Zehn Jahre wurde mir so ein schnell wirkendes Schmerzmittel gegen meine einschießenden Schmerzen verweigert. Wohl auch, weil mir meine Schmerzen nicht geglaubt wurden und die Ärzte wohl eine „weitere Abhängigkeit" vermeiden wollten. Ich fühlte mich in den ganzen Jahren nie ausreichend behandelt, sondern eher un- und missverstanden, sowie oft nicht ernst genommen von meinen Ärzten.
grow! Das kann doch nicht sein, dass ein Patient erst mal eine Palette verschiedener Medikamente einnehmen muss, bis er Cannabis verwenden darf. Was hast du denn in der Zwischenzeit gegen deine Schmerzen unternommen?
Uwe: In dieser Zeit nahm ich Cannabis nur zum schnellen Einsatz bei furchtbar starken Schmerzattacken. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich ohne Cannabis heute nicht mehr leben würde. Es hat mir in vielen sehr verzweifelten, schmerzhaften Situationen die Möglichkeit gegeben, weiterzumachen. Depressionen linderte es genauso gut wie meine Schmerzen. Ohne eine Handvoll Pillen mit den dazugehörigen Nebenwirkungen.
grow! Wie und wann kam dann endlich die positive Wendung?
Uwe: 2007 bekam ich die Möglichkeit eines Dronabinol-Thera-pieversuches und mit dem zusätzlichen Einsatz von natürlichem Cannabis fand ich dann endlich echte Erleichterung. Von dem Moment an ging es langsam bergauf. 2009 bekam ich dann die Ausnahmegenehmigung zur legalen Nutzung von natürlichem Cannabis.
grow! Musst du jetzt außer Cannabis noch andere Medikamente einnehmen?
Uwe: Nein, zurzeit nicht. Ich habe einen erfolgreichen Entzug aller mir verordneten Medikamente gemacht und nutze seit zweieinhalb Jahren nur noch ölige Dronabinol-Lösung und natürliches Cannabis.
grow! Das ist ehrlich schön zu hören. Aber wie wir von anderen Patienten erfahren haben, wird Dronabinol nicht von den Krankenkassen erstattet. Ist das auch bei dir der Fall?
Uwe: Nein, die Kosten für das Dronabinol übernimmt mein Zahlungsträger auf Grund der schweren Erkrankung, dafür bin ich auch sehr dankbar. Ihr habt Recht, andere Patienten kämpfen verzweifelt seit Jahren für eine Kostenübernahme.
grow! Wie viel Cannabis brauchst du zusätzlich zum Dronabinol am Tag und was kostet dich das im Monat? Oder übernimmt das auch dein Zahlungsträger?
Uwe: Nein, leider nicht. Mein täglicher Verbrauch bewegt sich um die drei Gramm Cannabisblüte aus der Apotheke. Die Ko-sten für eine Tagesdosis liegen bei ca. 50,0o Euro. Ich möchte aber noch erwähnen, dass ich die Dosis seit Jahren nicht steigern musste, wie es bei anderen Medikamente der Fall war.
grow! Interessant, das haben wir schon oft von Cannabis-Patienten gehört. Hast du dir schon mal ausgerechnet, wie viel Geld du bisher für deine Medizin investieren musstest?
Uwe: Von der Erlaubnis-Erteilung 2009 bis Anfang 2011 habe ich für Cannabis aus der Apotheke ca. 20.000 Euro bezahlt.
grow! Was 20.00o Euro? Das muss man sich mal vorstellen! Hattest du wegen Cannabis auch schon mal Probleme mit der Polizei?
Uwe: Ja, in Verbindung mit der Polizeiaktion „Sativa" hatte ich 2006 auch eine Hausdurchsuchung. Diese führte wegen Auffindens meiner kleinen Grow-Anlage plus meiner Bevorratung auch zur Anzeige. Nach fast sechs Jahren und vielen Verhandlungen wurde ich wegen gerechtfertigtem Notstand freigesprochen. Das Urteil ist auch ein Jahr später noch immer nicht rechtskräftig. Ansonsten wurde ich niemals auf meine Nutzung von Cannabis angesprochen. Ich verwende es auch in der Öffentlichkeit, versuche aber dabei niemanden zu belästigen.
grow! Du sagtest gerade, dass du bei der Polizeiaktion „Sativa" auch eine Haus-durchsuchung hattest. Kannst du unseren Lesern kurz erzählen, was diese Aktion „Sativa" war? hanf züchten
Uwe: Die Aktion „Sativa" am 28.01.2008 war eine europaweit angelegte Aktion der Behörden. In insgesamt fünf europäischen Ländern wurden früh um 6.00 Uhr Hausdurchsuchungen durchgeführt. Allein in Deutschland waren damals 160o Beamte abgestellt, um 235 Wohnungen zu durchsuchen. Zu der Aktion kam es durch die Überwachung des „Catweazel"-Growshops und deren Kunden. Ich hatte damals eine auto-matische Steuerung für mein kleines Ge-wächshaus und ein „Grow-Zelt 8ox8ox16o" bestellt. Völlig legale Artikel, völlig legaler Kauf ohne irgendwelche Verschleierung, unter meinem Namen an meine Adresse. Den Behörden war lt. Ermittlungsakte bekannt, dass ich austherapierter Schmerzpatient bin. Es folgten Uberwachungen und es wurde festgestellt, dass ich ein Gewächshaus habe, meine Rollos unregelmäßig hoch und runter ziehe, ich eine Sitzecke „blickdicht" gemacht habe usw. Zu der Hausdurchsuchung bei mir möchte ich noch sagen, dass bei besserer Vorbereitung ein Beamter völlig gereicht hätte, um festzustellen, was Sache ist. Nachdem mich die leitende Beamtin gesehen hatte und ich auf meinen Gesundheitszustand aufmerksam gemacht habe, wurde zwar konsequent weiter durchsucht, aber ich wurde freundlich und mit Rücksicht behandelt. Ich glaube, so einigen Beamten und der mitgebrachten Zeugin war bewusst, dass hier mit Kanonen auf kranke Spatzen „geschossen" wird.
grow! Uwe, kannst du uns sagen, wie groß die Anlage war und wie viele Pflanzen die Polizei bei dir gefunden hat?
Uwe: Ich hatte meine blühenden Pflanzen in einer kleinen Kammer auf einem Quadratmeter stehen. Im Schlafzimmer standen noch zwei Mutterpflanzen und einige kleine Pflänzchen, die ich zum Verfüttern an meine Leguane aussortiert hatte, gab es auch noch.
grow! Welche Sorten sind für dich besser, Indica oder Sativa?
Uwe: Das kann ich so nicht sagen, es stehen mir ja keine reinen Sativa- oder Indica-Sorten zur Verfügung. Ich benutze meist eine Mischung aus mehreren Sorten mit unterschiedlich hohen Sativa- oder Indica-Anteilen. Gegen meine Schmerzdurchbrüche hilft oft ein höherer Indica-Anteil, bzw. starkes Haschisch wirkt sogar noch besser. Aber welche Sorten ich am Ende nutze, hängt natürlich von der Verfügbarkeit ab.
grow! Glaubst du, dass der Eigenanbau in Zukunft für Patienten in Deutschland er-laubt wird?
Uwe: Daran glaube ich fest. Auch wenn sich von staatlicher Seite noch mit den unglaublichsten Gründen dagegen gewehrt wird. Für sehr viele Patienten wäre das eine sehr gute Lösung. Patienten könnten sich über ihre Erfahrungen mit den von ihnen angebauten Sorten austauschen. Ich finde den Austausch von direkt Betroffenen am sinnvollsten. Wir erleben doch die Verbesserung unserer Lebensqualität am eigenen Körper. Für Patienten, die gesundheitlich nicht dazu in der Lage sind, sollte ein Patientenvertreter den Anbau übernehmen dürfen.
grow!Was hat sich bei dir geändert, jetzt, wo du Cannabis als Medizin bekommst?
Uwe: Alles, nun da es mir wieder so gut geht, kann und möchte ich auch am öffentlichen/gesellschaftlichen Leben wieder teilnehmen.
grow! Wäre es möglich zu beschreiben, wie dir Cannabis hilft? Nimmt es dir zu 100 % den Schmerz?
Uwe: Nein, das macht es nicht. Mir hilft Cannabis nicht immer ausreichend gegen meine starken Durchbruchsschmerzen. Jedoch kann ich sofort Einfluss nehmen und habe keine belastenden Nebenwirkungen mehr. Mir hilft Cannabis, zur Ruhe zu kommen, mir Zeit zu nehmen etwas zu unternehmen, und so wieder am Leben teilzunehmen. Ohne Angst vor der gesundheitlichen Zukunft zu haben.
grow! Lebst du alleine?
Uwe: Ja, ich lebe zwar seit 5 Jahren in einer glücklichen Beziehung, wohne jedoch allein.
grow! Kannst du mit diesen Schmerzen überhaupt einer geregelten Arbeit nachgehen?
Uwe: Nein, ich bin schon seit Jahren in Rente. Im letzten Gutachten von 2010 wurde die Erwerbsunfähigkeit auf Grund meiner Schmerzen auf 100 % gesetzt. Ich arbeite, wenn ich dazu in der Lage bin. Wenn ich mich danach richte, komme ich gut zurecht.
grow! Was wünscht du dir für die Zukunft?
Uwe: Einsicht und Mitgefühl bei den Ver-antwortlichen in den Behörden und der Regierung. Ich wünsche mir, dass Cannabis mehr und vor allem früher eingesetzt wird, bevor schwere Abhängigkeiten und Nebenwirkungen der oft schnell verschriebenen Medikamente auftreten und erlitten werden müssen. Patienten sollte ihre Einschätzung über die Wirksamkeit von Cannabis auf ihre Befindlichkeit geglaubt werden. Den Pa-tienten ist es egal, ob die Linderung ihrer Leiden in den letzten Jahren auch wissen-schaftlich bestätigt wurde. Ihnen geht es schlecht und sie erfahren Linderung bis Heilung, das ist die Hauptsache. Ärzte sollten vorurteilsfrei über den Einsatz von Dronabinol und natürlichem Cannabis nachdenken.
grow! Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Uwe: Ja, gerade Patienten möchte ich etwas mitgeben. Sprecht mit eurem Arzt oder Apotheker. Informiert euch z. B. auf der Webseite der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis Medizin" oder „Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin" über die Möglichkeiten des medizinischen Einsatzes von Cannabis. Nutzt das ACM-Forum zum Austausch, werdet Mitglieder des ACM und unterstützt mit euren Erfahrungen Patienten und Ärzte.
grow! Uwe, danke dass du uns und un-seren Lesern deine Erfahrung mit medizi-nischem Cannabis erzählt hast. Wir wün-schen dir für deine Zukunft viel Glück und wenige (besser gar keine) Schmerzen. autobeschriftung tirol